Die Schafe auf den Gleisen

Die Schafe auf den Gleisen

Die Schafe auf den Gleisen

 

  • Lokführer (36) aus NRW

 

Als Lokführer erlebt man allerhand kuriose Sachen – in, vor und neben dem Zug. Man muss ständig
wegen irgendetwas auf der Strecke halten, seien es umgestürzte Bäume, defekte Leitungen oder verlangsamter Verkehr.

An eine Situation kann ich mich aber noch genau erinnern, denn ich habe nie wieder einen kurioseren Grund zum Anhalten gehabt. Es waren noch zirka zwei Stunden bis zum Schichtende, und obwohl ich konzentriert war, sehnte ich den Feierabend herbei. Einen entspannten Abend mit Frau und Kindern verbringen, darauf freute ich mich. Die Gedanken an meine Familie ließen mich so sehr in Tagträumen versinken, dass ich die Information beinahe überhört hätte. „…sofort den Zug stoppen, es sind Schafe auf deiner Fahrbahn, eine ganze Herde“, hörte ich gerade noch und dank meiner Reflexe bremste ich den Zug sofort.

Ich konnte vor mir noch keine Schafe erkennen, was ich aber als positiv empfand. Schließlich brauchten wir eine Weile, um wirklich zum Stillstand zu kommen und ich wollte am nächsten Tag nicht in der Zeitung stehen als der Lokführer, der eine Herde Schafe überfahren hatte. Wir kamen nun endlich zum Stehen und ich konnte immer noch keine Herde entdecken, mein Ziel war also erreicht. Geduldig wartete ich auf die Freigabe der Strecke und nutzte die Zeit, um einmal meinen Rücken durchzudrücken. Langes Sitzen machte schläfrig.

Nachdem ein paar Minuten vergangen waren, informierte ich die Fahrgäste, auch sie hatten ja ein Anrecht auf Mitwisserei. „Sehr geehrte Fahrgäste. Wir haben heute einen ziemlich flauschigen Grund, die Fahrt nicht fortsetzen zu können. Eine Herde Schafe blockiert unsere Strecke. Ich bitte Sie noch um ein wenig Geduld. Sie können ja versuchen, die Schafe zu zählen.“

Ich schaltete das Mikrophon wieder aus und gluckste über meinen eigenen Witz. Während ich auf weitere Anweisungen wartete, machte ich es mir auf meinem Sessel bequem und drehte Däumchen. Gedanklich verweilte ich wieder im Feierabend, immer ein Ohr offen für weitere Anweisungen. Was es wohl heute Abend zu Essen geben würde? Mmmmh, auf so ein richtig gutes Stück Fleisch hätte ich Lust. Gerade, als mir das Wasser im Mund so richtig zusammenlief, wurden meine Fantasien wiederum unterbrochen. „Schafherde ist außer Gefahr und alle Menschen von den Schienen, du kannst wieder weiter.“

Ich seufzte, die Pause war doch kürzer, als ich erhofft hatte. Also rappelte ich mich wieder auf, rückte meine Klamotten zurecht, räusperte mich und startete den Zug. Erst langsam, dann immer schneller bis zu seiner Höchstgeschwindigkeit fuhren wir unseren Weg und ich hielt neugierig Ausschau nach den Übeltätern. Als wir den nächsten Bahnhof verließen und neben einer Landstraße entlangfuhren, die von Feldern gesäumt war, entdeckte ich die Herde endlich – zumindest glaube ich das. Jedenfalls waren es Schafe und sie waren in der Nähe der Gleise, der Schluss lag also nahe. Mit einem Lächeln auf den Lippen beendete ich den heutigen Dienst später am Tag.

Nun hatte ich mal wieder eine unterhaltsame Geschichte für meine Kinder und ich werde diese Herde von Schafen sicher nie vergessen.

 

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