Interview mit Sam – Zugführer
Hallo Sam,
vielen Dank, dass du dich für ein Interview bereit erklärt hast.
Wir sind ständig auf der Suche nach Persönlichkeiten und da wurden wir auf dich aufmerksam.
- Könntest du dich bitte vorstellen? Mein Name ist Sam Storchmann. Ich bin 32 Jahre alt und komme aus Essen. Beruflich arbeite ich als Zugführer und Rangierbegleiter, als Wagenprüfer der Stufe 4 und Bremsprobeberechtigter im Rahmen der Erhaltung der Schieneninfrastruktur.
- Seit wie vielen Jahren übst du den Beruf aus und wo siehst du dich in 10 Jahren? Ich übe den Beruf mittlerweile seit ca. 4 Jahren aus und mein langfristiges Ziel ist es, irgendwann einen ICE im Personenverkehr zu steuern.
- Was bedeutet es für dich, Eisenbahner zu sein? Für mich bedeutet es familiäre Atmosphäre – Jeder grüßt jeden, unabhängig davon, ob eine Bekanntschaft vorliegt oder nicht. Da ich seit meinem sechsten Lebensjahr eine Modelleisenbahn besitze, war das schon immer ein Hobby, welches ich zu meinem Beruf gemacht habe. Für mich bedeutet es auch, Verantwortung zu übernehmen und Herausforderungen zu bewältigen.
- Was hast du vor deiner Tätigkeit gemacht und bereust du es, Eisenbahner zu sein? Vorher bin ich verschiedenen Aufträgen nachgegangen – von Dachdecken, Fliesenlegen, Gerüstbau bis hin zu Malerarbeiten war alles dabei. Die damalige körperliche Aktivität werde ich als Eisenbahner nicht vermissen. Ich bereue es nicht, auch, wenn 12-Stunden-Schichten mir teilweise wenig Zeit für meine Familie lassen.
- Was war dein schlimmstes Ereignis als Eisenbahner, was dir noch bis heute im Gedächtnis geblieben ist? Ich hatte bei einer geschobenen Rangierfahrt auf einen Baugleis die Spitze des Zuges zur Fahrwegsbeobachtung besetzt und auf dem Gleis vor uns befand sich ein 2-Wege-Bagger. Der Bagger fuhr rückwärts genau in unsere Richtung, ohne seinen eigenen Fahrweg zu kontrollieren. Als ich während dieses schlimmen Ereignisses die Gefahr einer möglichen Kollision erkannt habe, brachte ich die Rangierfahrt mit dem Luftbremskopf umgehend zum Halt. Nachdem der Zug gehalten hat, kollidierte wenige Sekunden später der Bagger mit ca. 20km/h mit der Spitze unseres Zuges (MFS-Wagen ohne Schutzwagen, Bild liegt bei).
- Was war dein schönstes Ereignis als Eisenbahner, was dir noch bis heute im Gedächtnis geblieben ist? Dass ich das erste Mal einen Güterzug mit ca. 1200 Tonnen Gewicht bewegen durfte, ist mir bis heute in Erinnerung geblieben, denn während dieses schönen Ereignisses hatte ich das unbeschreibliche Gefühl, mit einer einfachen Handbewegung so viel Last in Bewegung zu setzen.
- Welche Eigenschaften sollte man auf jeden Fall für diesen Job mitbringen? Flexibilität ist wichtig. Man sollte sich der Tatsache bewusst sein, dass nicht alles immer nach Plan verlaufen kann, weil man nicht selten wenige Stunden vor Dienstbeginn Bescheid bekommt oder kurzfristig einspringen muss. Man sollte Spaß und Freude mitbringen – Das ist nämlich die Voraussetzung dafür, sich auch nachts gegen 2 Uhr aus dem Bett zu quälen.
- Was war das Kurioseste, was dir in deiner Dienstzeit passiert ist? Ich kenne Eisenbahner, die seit 30 Jahren im Beruf sind und noch nie einen Zwischenfall hatten. Ich bin erst seit 4 Jahren dabei und wurde bereits mit 12 Unfällen konfrontiert, die meinerseits alle unverschuldet waren. Das empfinde ich als äußerst kurios. Einige Kollegen glauben diesbezüglich, dass ich das Pech anziehe.
- Wie positiv oder negativ hat sich die Arbeit zu deinen ersten Tagen und zu heute entwickelt und warum? Am ersten Tag war ich teilweise noch sehr unsicher, wollte keine Fehler machen und war deswegen auch langsamer als Kollegen mit langjähriger Erfahrung. Das lässt sich mit dem Autofahren vergleichen, nachdem man den Führerschein hat und alleine fährt. Das gibt sich aber mit der Zeit, 6 Monate später fühlte ich mich hinsichtlich der Geschwindigkeit genauso sicher, wie meine Kollegen.
- Welche 3 Dinge würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen? Mitnehmen würde ich ein Feuerzeug, Taschenmesser und unter meinen Idolen – Mythbusters – darf natürlich das Panzerband nicht fehlen.
- Wenn du die Zeit zurückdrehen könntest, welches Jahr würdest du auswählen und warum? Ich würde die Zeit des Wilden Westens (1885) auswählen und dort mit einer Dampflok durch die Prärie fahren, das wäre sicher ein aufregendes Erlebnis.
- Was kannst du Menschen auf den Weg geben, die auch Eisenbahner werden möchten? Jedem, der Eisenbahner werden will, sollte bewusst sein, dass der Beruf viel Verantwortung erfordert, dass man mitunter auch tagelang getrennt von der Familie sein kann und dass man sich stets weiterbilden muss, da sich Vorschriften, Gesetze und Sicherheitsrichtlinien ändern können. Als Eisenbahner lernt man nie aus.
Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!
Bei Fragen oder Anregungen bitte eine E-Mail an: info@dereisenbahner.net